Gedenkbuch

für die jüdischen Schüler des Städtischen Realgymnasiums Köln-Deutz 1908 - 1938

Als 1908 das neue Realgymnasium für Jungen öffnete, gehörte auch ein Schüler jüdischer Religion zu den ersten Sextanern (5. Klasse). Seither besuchten immer auch Juden unsere Schule. Erst die Ausgrenzung und Verfolgung durch die Nationalsozialisten führten dazu, dass der letzte jüdische Schüler das Realgymnasium 1938 verlassen musste. 64 jüdische Schüler sind in den Schulakten von 1908 bis 1938 nachweisbar. 14 von ihnen wurden im Holocaust ermordet. Auch den Rabbiner Dr. Julius Simons, der als Religionslehrer an unserer Schule tätig war, töteten die Nationalsozialisten in Auschwitz.

Dieses Gedenkbuch dient der Erinnerung an unsere jüdischen Schüler und ihren Religionslehrer.

 


Organisatorisches

Um die Kurzbiografien der 64 jüdischen Schüler einsehen zu können, klicken Sie die Namen weiter unten auf der Seite an. Diese werden fortlaufend aktualisiert.

Das Projekt

Zu Beginn des Schuljahrs 2017/18 haben die Schülerinnen und Schüler im Zusatzkurs Geschichte (Q2) zunächst entschieden, ein Projekt zum Thema Nationalsozialismus zu machen. Im Mittelpunkt sollte die Recherche nach jüdischen Schülern an unserem Gymnasium von 1908 bis 1945 stehen.

Wir begannen damit, die Akten des Schularchivs durchzusehen und in den Schülerlisten nach jüdischen Schülern zu suchen. U.a. mussten wir lernen, Sütterlin zu lesen. In den Schülerlisten fanden wir erst einmal nur Informationen der einzelnen Personen bezüglich Name, Geburtsdatum, Eltern, Wohnort, Klasse, sowie die Aufenthaltsspanne auf dem Realgymnasium in Köln-Deutz. Die gesammelten Informationen dokumentierten wir.

Neben den oben genannten Informationen recherchierten wir biografische Hinweise nach der Schulzeit. An diese Informationen gelangten wir zum einen mithilfe von verschiedenen Opfer-Datenbanken (u.a. Yad Vashem und USHMM), zum anderen profitierten wir von der Zusammenarbeit mit dem NS-Dokumentationszentrum in Köln, welches uns mit zahlreichen Auskünften und Daten einzelner jüdischer Schüler half.

Auch wenn wir über die meisten Personen etwas finden konnten, war es bei einigen umso schwerer. Dadurch wurde es teilweise unmöglich, etwas über ihr Schicksal in ihrem weiteren Lebensweg herauszufinden. Nachdem unsere Recherchen so gut wie abgeschlossen waren, entschieden wir im Kurs, mit den gesammelten Informationen der Schüler einzelne Kurztexte zu verfassen, welche wir in einem Gedenkbuch auf unserer Schulwebsite veröffentlichen wollten.

Mit dieser Website möchten wir an die zahlreichen Opfer und Überlebenden des Holocaust erinnern und in Form eines digitalen Gedenkbuches gedenken.

Autorin: Emma Tempel

Zusatzkurs Geschichte Schuljahr 2017/18 (Q 2) Schülerinnen und Schüler:

Mirlind Aliji, Monik Cybik, Jodie da Silva Gazic, Paul Frenzel, René Gipperich, Marc Goncalves-Saur, Linus Heck, Anina Heimberger, Janina Kaulbert, Anna Langguth, Chris Massamba, Peter Rohrsdorfer, Maurice Schmitz, Emma Tempel, Amanda Wisniewska, Selen Yildrim, Charlotte Zander

Stand: März 2018

Ausgrenzung jüdischer Schüler nach 1933

Das Städtische Realgymnasium für Jungen in Deutz war die erste höhere Schule rechtsrheinisch. Auch jüdische Familien schickten ihre Kinder seit 1908 auf diese „Anstalt“. Der erste Schüler mit jüdischer Religion war in der ersten Sexta Hermann Marx aus Poll.

1908 besuchten 50 Schüler unsere Schule. Der Höhepunkt der Schülerzahlen wurde 1918 mit 711 Schülern erreicht – davon 20 mit `israelitischer´ Religion (ca. 3 %). Der Anteil jüdischer Schüler an der gesamten Schülerschaft betrug bis 1933 immer zwischen 1 und 3 Prozent. In den 1920er Jahren gab es stets 11-15 jüdische Schüler. Von 1931-33 reduzierte sich deren Zahl auf sechs Jungen.

Mit Beginn des Schuljahres 1933/34 wurde die Verdrängung von Juden an höheren Schulen durch die nationalsozialistische Schulpolitik eingeleitet. Diese Maßnahmen wurden vor allem durchgesetzt, um Juden als Sondergruppe noch deutlicher zu kennzeichnen und ihre Bildungschancen auf ein Minimum zu reduzieren.

Das am 25. April 1933 verabschiedete „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ besagte, dass der Anteil an neu aufgenommenen „Nichtariern“ an Höheren Schulen auf 5 % beschränkt werden musste. Wenn eine Schule diese Grenze überschritten hatte, mussten jüdische Schüler entlassen werden. Zunächst fand diese Regel am Realgymnasium keine Anwendung, da der Prozentsatz jüdischer Schüler immer deutlich daruntergelegen hat.

Aus Akten des Schularchivs ist zu erkennen, dass es nach 1933 nur einen jüdischen Neuzugang gab. Außerdem machte kein jüdischer Schüler nach 1933 mehr einen Abschluss, sondern sie wechselten meist auf eine andere Schule. Wie im Fall von Martin Stern, welcher auf eine holländische Schule wechselte, oder Fritz Rosenthal, welcher 1933 auf eine unbekannte jüdische Schule abging. Weitere Schüler erfuhren wahrscheinlich ähnliche Schicksale.

Karl Brünell war vermutlich der letzte jüdische Schüler am Realgymnasium und verließ die Schule 1938.

Die Entwicklung zeigt, wie die Nationalsozialisten die jüdische Bevölkerung immer weiter diskriminierten und entrechteten.

Autor: Paul Frenzel

Literatur: Joachim Trapp: Kölner Schulen in der NS-Zeit. Köln 1994.

25 Jahre Städtisches Realgymnasium Köln-Deutz 1908-1933. Bearbeitet und herausgegeben vom dem Leiter der Anstalt. Oberstudiendirektor Dr. Th.Eylert. Köln 1933.

Deportationen und Vernichtung

Ob Moritz Harf, Kurt Simons oder Fritz Rosenthal, all diese Menschen haben eines gemeinsam: Sie und viele mehr waren Schüler des Städtischen Realgymnasiums in Köln Deutz und wurden Opfer des Holocaust. Mindestens 13 Schüler unserer Schule wurden von den Nationalsozialisten ermordet, nachdem sie in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert worden waren.

Wer bis zum Anfang des Zweiten Weltkrieges nicht emigriert war, geriet seit dem Überfall auf Polen in die Hände der Nationalsozialisten. Ende 1941 haben die Deportationen in Ghettos und in Vernichtungslagern nach Osten begonnen. Zu dem Zeitpunkt lebten 6200 Juden in Köln. Im Herbst 1941 wurde in Köln Müngersdorf ein Sammellager errichtet. Die Kölner Juden wurden dort inhaftiert und warteten, bis sie einem der Transporte zugeteilt wurden. Zuteilungen zu den Transporten erfolgten durch jüdische Bürger, die gezwungen wurden, Namenslisten für die Deportationen zu erstellen. Personen, die auf der Liste standen, erhielten einige Tage vor der Deportation eine Benachrichtigung zum Zeitpunkt und dem Ziel des Transportes. Die Sammlung fand auf dem Messegelände in Köln Deutz statt. Anschließend wurden die jüdischen Bürger zum Bahnhof Deutz - Tief gebracht und nach Osten transportiert. Das Gepäck bzw. der letzte Besitz wurde von der Gestapo und der Oberfinanzdirektion Köln beschlagnahmt.

Vom Herbst 1941 bis Sommer 1942 organisierten die Kölner Gestapo die Deportationen nach Lodz (Polen). Ein Deportationszug in das Ghetto nach Riga fuhr am 7. Dezember 1941. Am 15. Juni und 27. Juni 1942 fanden Deportationen nach Theresienstadt statt. Viele Kölner und Kölnerinnen wurden im Sammeltransport am 15. Juni 1942 aus Koblenz über Aachen, Köln und Düsseldorf nach Sobibor verschleppt. Am 20. Juli 1942 umfasste der Transport aus Köln Deutz nach Minsk um die Hälfte jüdische Frauen, Männer und Kinder aus dem Rheinland. Nach dieser Verschleppung mit geplanter Ermordung kam es immer wieder zu Deportationen von 1 bis 50 Personen in das Ghetto Theresienstadt, der letzte Transport fand im März 1945 statt. Fast alle deportierten Juden wurden zum Opfer des Völkermordes. Sie starben an den unmenschlichen Bedingungen, an den Gewaltverbrechen in den Ghettos, durch den Transport in die Vernichtungslager und die anschließende Ermordung.

Die am genausten dokumentierten Informationen gibt es von den 2514 Verschleppten aus Köln und der Umgebung, die nach Theresienstadt deportiert wurden. 231 der Opfer überlebten und der Rest wurde in Treblinka oder Auschwitz ermordet. 80 der Deportierten aus dem Ghetto in Riga erlebten die Befreiung. Die Deportation nach Minsk überlebte keiner. Von den etwa 2000 Verschleppten, die am 22. und 30. Oktober 1941 nach Litzmannstadt deportiert wurden, haben 25 Frauen und Männer überlebt. Im Sommer 1944 kurz bevor die Ghettos aufgelöst wurden, kam es in Kulmhof zur Ermordung von 140 Frauen und Männern aus Köln. Etwa 400 der verschleppten Kölnerinnen und Kölner starben im Ghetto. Weitere 50 Opfer wurden im Sommer 1944 nach Auschwitz deportiert. Bei etwa 200 Menschen ist das Schicksal unbekannt.

Nur 25 der nach Litzmannstadt verschleppten Kölner überlebten und erlebten ihre Befreiung im Jahr 1945.

Folgende Schüler unserer Schule kamen im Holocaust nachweislich ums Leben:

  • Max Graumann (Kulmhof/ Chełmno)
  • Manfred Joseph (Majdanek)
  • Moritz Harf (Kulmhof/ Chełmno)
  • Walter Linz (Trostenz bei Minsk)
  • Marx, Hans (Kulmhof/ Chełmno)
  • Albert Mendel (Auschwitz/ Oświęcim)
  • Hermann Osser (Kulmhof/ Chełmno)
  • Adolf Salomon (Auschwitz/ Oświęcim)
  • Rudolf Salomon (Auschwitz/ Oświęcim)
  • Joseph Schwarz (Majdanek)
  • Ludwig Schwarz (Auschwitz/ Oświęcim)
  • Fritz Rosenthal (Litzmannstadt/ Łódź)
  • Hermann Simons (Auschwitz/ Oświęcim)
Autorin: Amanda Wisniewska

Kurzbiografien